Freitag, 18. März 2011

Hohe Paesse

Einige lokale Leute in Shangri La warnten uns vor der schlechten Strasse, moeglichem Schnee und wenig Verpflegungsmoeglichkeiten auf der Strecke ueber Xiangcheng nach Litang. Wir besorgten uns noch neue Regenhosen sowie einen Gaskocher und wagten trotzallem die direkte Route in die Sichuan Provinz. Shangri La verliessen wir dann bei Minustemperaturen und Schneegestoeber. Den friedlich grasenden Yaks auf dem Hochplateau schienen die tiefen Temperaturen im Gegensatz zu uns nichts auszumachen. Wir waren sehr erleichtert, als am spaeteren Nachmittag die Sonne durchdrueckte und wir unser Zelt unter wolkenlosem Himmel aufschlagen konnten. Am darauffolgenden Tag galt es den ersten 4000 Meter Pass zu erklimmen. Zu unserer Ueberraschung war dieser auf keiner unserer Karten vermerkt. Aber an diesen Umstand sollten wir uns noch gewoehnen muessen. Vor dem naechsten Pass, 4300m.u.Meer, wich die bis anhin gut asphaltierte Strasse ploetzlich einer unbefestigten Schotterpiste. Diese verlangte viel Zeit und brachte uns ueber zwei Paesse 100km weiter in Richtung Norden. Die atemberaubenden Ausblicke von den Passhoehen genossen wir jeweils wegen dem starken Wind nur kurz. Dafuer fanden wir am Abend immer wieder herrliche Plaetze mit bester Aussicht, wo wir unser Zelt auf aufstellen konnten. Dies aber meistens nicht ohne zusaetzlichem Kraftaufwand. Um uns und das Zelt zu verstecken war oftmals ein Sprint samt Velo in den Wald oder auf eine Anhoehe weg von der Strasse noetig. Auf 4000 Meter ueber Meer, nach einem harten Fahrradtag kann dies echt der Killer sein. Die Naechte waren jeweils eiskalt. Minusgrade liessen von Zeltwaenden, ueber Nasenspitze, bis Wasser in den Flaschen, so ziemlich alles einfrieren und man sehnte sich nach waermenden Sonnenstrahlen am Morgen. 30km vor Xiangcheng wurde zu unserer Freude die Strasse besser und uns zeigte sich einmal mehr Chinas grosser Bauboom. Bruecken entstehen, es werden Strassen vergroessert, Tunnels gegraben, Staudaemme hochgezogen und neue Haeuser errichtet. Auf dem frischen Strassenbelag rollten die Raeder wieder schneller. Fuer die Polizei zu schnell. Am ersten Polizeicheckpoint brausten wir vorbei und ignorierten dabei die Ausrufe der Gesetzeshueter. Jedoch nicht ein Kilometer verging, da kam ein Polizeiauto mit grosser Geschwindigkeit, Blaulicht und Sirene hinter uns her geschossen und bremste uns aus. Hoeflich gebeten uns auf dem Polizeiposten zu registrieren, kamen wir in den Genuss einer gratis Spritztour im Bullenfahrzeug. Die Begegnungen mit den uniformierten Herren ist im tibetischen Gebiet Chinas fast alltaeglich. Speziell die Staedte sind ueberfuellt mit den weiss-blauen Freunden. Nach Xiangcheng schliefen wir fuer die Nacht bei einer lokalen Familie in der Scheune. Die Haeuser in der Region sind wunderschoen, vielfach riesige dreistoeckige Gebaeude. Dabei variiert Bauart und Farbe von Tal zu Tal. Mal aus Holz und Erde, mal komplett aus Steinen erinnern die Bauten an richtige Schloesser. Genutzt werden alle nach dem gleichen Prinzip. Im Erdgeschoss werden die Tiere gehalten, der 1. Stock ist in Kueche, Aufenthaltsraum und einen gemeinsamen grossen Familienschlafraum unterteilt und der 2. Stock respektive das Dach dient dem trocknen von Fleisch sowie Futter fuer die Tiere. Das bis anhin angenehme Wetter wechselte mit dem 4700m hohen Mount Kuluke Pass (wieder nicht auf der Karte), der sich uns vor Sangdui in den Weg stellte. Ploetzlich zogen dunkle Wolken auf und wir mussten uns bei starkem Wind sowie Schneesturm die elend langen Kurven hochkaempfen.Vor der Passhoehe wurde jeder Pedaltritt schwerer und es wurde immer kaelter. Nach einer langen Abfahrt, wobei zu allem anderen auch noch Gabriels vorderer Korbtraeger abbrach, erreichten wir bei Anbruch der Dunkelheit voellig fertig und unterkuehlt das Doerfchen Sangdui. Endlich kamen wir zum ersten richtigen Essen des Tages und durften uns dem ersten warmen Bett seit Shangri La erfreuen. Nach einem Resttag in Sangdui waren es noch zwei Fahrradtage bis Litang. Bei eiskalten, aber meist sonnigem Wetter fuehrte uns die Strasse erneut ueber mehrere 4000 Meter Paesse, durch menschenverlassene Steppen und vorbei an vielen Yak Herden. Neben den tibetischen zotteligen Grunzochsen erfreuen wir uns den riesen Weisskopfadlern, welche immer wieder ueber uns Ihre Kreise ziehen. Ansonsten sieht man leider kaum wilde Tiere. Einige Leute sagen: Die Menschen hier essen alles was vier Beine hat, ausser einen Tisch. Trotzdem wurden aggressive Vierbeiner vor Litang auch wieder vermehrt zum Problem. Grosse Wachhunde von Hirten sowie Haeusern am Strassenrand waren bis anhin meistens angekettet in China. Von nun an kamen viele Zaehnefletschend angerannt, bissen einmal sogar in Kyokos Hintertasche und hinterliessen ein grosses Loch im Plasticksack. Vertreiben lassen sich die Biester einzig mit Wurfgeschossen. So schleppen wir seit einigen Tagen immer noch einige Steine durch die Berge. Allzeitbereit fuer den Einsatz. Unser naechstes Ziel nach Litang war die Stadt Kanding, um unser Chinavisa erneut zu verlaengern. Lustlos und bei eiskalten Temperaturen stiegen wir mit dem Hintergedanken die gut 300km per Anhalter zu ueberbruecken in den Sattel. Schon nach gut 2 km und beim ersten Autostoppversuch nahm uns ein Ambulanzfahrzeug mit. Unsere Fahrraeder und Taschen passten perfekt zwischen Sauerstoffflasche und Medizinkasten. In gut 6 Stunden, begleitet von Tibet-Rock, rasten wir auf holprigem Untergrund und Abschnittsweise mit Blaulicht und Sirene ueber mindestens sieben 4000er Paesse. Dabei merkte man dem Fahrer definitiv an, dass das Fahrzeug nicht sein persoenliches Eigentum ist. In Kanding nutzen wir nun seit einigen Tagen die Vorzuege einer groesseren Stadt. (Warmes Bett, heisse Dusche, Internet und viel feines Essen...) In der Zwischenzeit erreichte uns natuerlich auch die schreckliche Nachricht vom Erdbeben und Tsunami in Japan. Gluecklicherweise sind Familie und Freunde alle in Sicherheit und wohl auf. Jetzt ist zu hoffen, dass sich die Lage mit den AKW's nicht weiter verschlimmert und sich das Land von dieser Katastrophe moeglichst schnell erholen kann.

Freitag, 11. März 2011

Vom Industriegebiet in den Schnee

Die Millionenstadt Panzhihua wartete mit maechtigen Betonbauten, viel Industrie und shoppingwuetigen Massen. In
der modernen Stadt findet man neben tausenden lokalen chinesischen Unternehmen auch viele westliche Shops, namentlich
aus der USA, wie Nike, Walmart und KFC. Schmunzeln muessen wir oft ueber die vielen gefaelschten
Markenartikel, die ueberall erhaeltlich sind. So fahren viele Chinesen ein Hongya-Motorrad, tragen Northfake sowie
Adiyas Jacken und duschen mit L’oral Shampoo. Und wir schlafen seit neuem auf Maxped (Exped) Matten.
In groesseren Staedten ist auf dem Fahrrad auch immer hohe Vorsicht geboten. In China ist es fuer Autofahrer normal,
ohne zu schauen, mit Zigarette im Mund und Natel am Ohr auf eine Hauptstrasse einzubiegen. Es gilt die Regel, wer
jemanden umfaehrt, der bezahlt.(Oder vermutlich auch nicht...) Mit gelegentlichem Bruellen, Kopfschuetteln und sich
den Verkehrssitten anpassen, schlaengelt man sich durch.
Der erste Fahrradtag fuehrte dann auch durch riesige Industriegebiete und war mit viel Abgas und Staub verbunden. Je
mehr wir uns jedoch von der fuer chinesische Verhaeltnisse kleinen Stadt Panzhihua entfernten, desto ruhiger wurde
es. Erneut stellten einige harte Anstiege eine grosse Herausforderung dar. Spektakulaere Aussichten, wunderbare Doerfer,
gutes Essen und fantastisches Wetter entschaedigten aber immer wieder fuer die Anstrengungen. Das es Winterzeit
ist, wurde uns erst auf der Passhoehe vor Lijiang in Erinnerung gerufen, als wir an einigen Schneeflecken vorbeifuhren.
Dank den milden Tagestemperaturen, 10 bis 20 Grad Celsius, kann man sich zudem kaum vorstellen, das wir
uns seit Wochen auf 2000 bis 3500 Meter ueber Meer befinden. Lijiang liegt auf einem Plateau, knapp 2600
m.u.Meer . Hoch beliebt bei chinesischen Touristen, wird die Stadt, vorallem wegen Ihrem Oldtown bekannt, fast das
ganze Jahr hindurch von Tourgruppen ueberrannt. Viele Souvenirshops, Restaurants, Hotels und laute Bars erinnern
einen einwenig an Zermatt. Dies dachte wohl auch Schweiz Tourismus. Mount Youlong, der 5500 Meter hohe Hausberg
von Lijiang, wird gross als Matterhorns “Sister Peak” angepriesen. Mit einer Gondelbahn ist es Touristen moeglich
bis auf 4600 Meter zugelangen. Horden von Chinesen lassen sich den teuren Ausflug nicht nehmen und
“besteigen” bepackt mit Sauerstoffflaschen und gemieteten Winterjacken die Gletscherplattform. Mal schauen ob dies
am Matterhorn auch bald moeglich ist?


Trotz vielen Touristen gefaellt uns Lijiang und die Region sehr gut und wir wollen unsere Fahrradfahrt noerdlich in
Richtung Shangri La vortsetzen. Was wir nicht wissen, ein Strassenzoll und Mount Youlong Protection Fee (CHF 30
pro Person) muss bezahlt werden. Und wer ist Schuld? Natuerlich Matterhorns Sisterpeak. Das wir aus der Schweiz
kommen half bei den Verhandlungen nichts und wir mussten einen 40km grossen Umweg fahren, sowie eine andere
Strassenroute nach Shangri La nehmen um der Abzocke zu entgehen. Der Routenwechsel stellte sich aber als Gluecksfall
dar. Die Radfahrt am Yangzi River entlang, dem dritt laengsten Fluss der Welt, wurde zu einem Highlight auf der
bisherigen Reise. Eine gleichmaessig steigende , wenig befahrene, Strasse brachte uns durch gigantische Schluchten
und wunderbare Berglandschaft bis auf 3500 Meter, von wo eine Abfahrt auf das Hochplateau von Shangri La folgte.
Weiterhin fahren wir in herrlichem T-Shirt Wetter und nur wenn die Sonne verschwindet und nachts im Zelt wird es
frostig kalt. Fruehlingshafte Bedingungen in den Taelern und Schnee auf den Berggipfeln. Schoener koennte das
Panorama nicht sein. Die nun tibetische Landschaft und Kultur erinnert uns stark an die Ladakh Region (Indien), welche
wir letztes Jahr bereisten.

Die Umgebung gefaellt uns so gut, dass wir uns entscheiden von Shangri La noch weiter
der tibetischen Grenze entlang in Richtung Norden zuradeln. Bevor wir dies tun, machen wir mit dem Bus einen Abstecher
nach Dali um einerseits unsere Freunde Jens und Zuzka nochmals zu treffen und andererseits einige Tage Taiji
in einer Tempelanlage zu praktizieren. Die geplanten Kampfsporttage lassen wir aber schlussendlich sausen. (Fuehlen
uns nicht willkommen, zu hoher Preis und viele Regeln) Anstelle dem Sport widmen wir uns zu Viert hauptsaechlich
feinem Essen und den lokalen alkoholischen Traubensaeften, bevor es weiter in die schneebedeckten Berge geht. Der
Aufenthalt in Dali gab uns zudem die Moeglichkeit die noch noetigen Ausruestungsartikel fuer die kommenden kaelteren
Temperaturen zu organisieren (waermere Handschuhe, Schuhueberzieher etc..) und die Essensvorraete aufzustocken.
(Viele Snickers) Hoffentlich schmilzte ausserdem waehrend diesem gut einwoechigem Aufenthalt der Schnee
weiter, welcher uns auf den kommenden Passhoehen, welche bis zu 4700 Meter hoch sind, erwartet.